Die Historie

Über 90 Jahre H-Jolle

Die klassische H-Jolle

Am 14. Dezember 1925 wurde im amtlichen Blatt des damaligen Deutschen-Segler-Verbandes (DSVb), der „Yacht“, bekannt gemacht, dass „die vom letzten Seglertag (in München) … angenommenen Bauvorschriften für eine 15-qm-Kreuzeryacht … in Wirksamkeit gesetzt werden.“ Man gab der Jolle zur Unterscheidung ein F ins Segel.

Damit hatten sich auch im Segler-Verband nach jahrelangen Auseinandersetzungen die aus Berlin stammenden Befürworter einer Idee durchgesetzt, die neben der Segelei in reinen „Rennjollen“ (z.B. 20 qm-Rennjolle, die Z-Jolle) eine kleinere Kreuzerklasse, d.h. Wanderjolle, schaffen wollten.

Federführend war damals der langjährige Vorsitzende des Berliner SV 03, Bruno Vogelhaupt („Lattenbruno“, wie Vogelhaupt zur damaligen Zeit wegen seiner eingeführten vielen durchgehenden Segellatten im Großsegel der Jolle genannt wurde), der mit seinem Freund E. Müller nun ein Boot mit dem Leitgedanken, eine gleichermaßen für die Familie, zum Wander- und dem Regattasegeln geeignete Jolle geschaffen hatte. Sie wurde in ihrem Baubesteck im Gegensatz zu den Rennjollen aber so dimensioniert, dass eine lange Lebensdauer gewährleistet war.

Da es auch beim damaligen Deutschen-Segler-Bund (DSB), der 1933 mit dem DSVb zwangsvereinigt wurde, schon seit August 1923 fast gleiche Bauvorschriften für eine 15 qm-Bundeswanderjolle (Binnenfahrtklasse) gab, die im Segel das noch heute gültige H trugen, stand einer massenhaften Ausbreitung der sowohl im Verband sowie im Bund gebauten Wanderjolle nichts mehr im Wege. So gab es schon vor dem Kriege bis 1944 über 800 Eintragungen und die H-Jolle wurde zur beliebtesten Klasse dieser Zeit.

Es war eine Grenzma klasse/ Konstruktionsklasse entstanden mit einigen heute noch unverändert geltenden Bauvorschriften (Höchstlänge 6.20 m, Mindestbreite 1.70 m, Takelungshöhe 7.50 m, vermessene Segelfläche 15 qm), die sich aber durch die Weitsichtigkeit ihrer vielen berühmten Konstrukteure (Theo + später Sohn Manfred Ernst, Brandt, Drewitz, Gärsch, Grunewald, Martens, Dannhus, Kalb) im Laufe der letzten Jahrzehnte immer dem neusten Stand bootsbauerischer Entwicklungen anpassen konnte.

Die Jollen wurden bis 1964 im Bereich des DSV im Westen in Vollholz, meist Mahagoni auf Eiche, gebaut und mit einem Holzrigg, teils klassisch mit Gaffel und Holzvorstag, teils hochgetakelt, versehen. Dazu kam das hölzerne Vorstag und das angesprochene typische Lattensegel. In den südlich gelegenen, oft schwachwindigeren Revieren, warf man die „Holzbein“ genannte Vorstagspiere aber bald über Bord und segelte auch mit lattenlosen Großsegeln. Alles andere war für die leichten Winde zu schwer. Überhaupt war das Gewichtsproblem immer etwas Entscheidendes, denn man baute schon leichtere, nur 1,70 m breite Rümpfe, versuchte sich aber auch an 2,00 m breiten (und damit zu schweren) Rümpfen, von denen man sich bessere Gleiteigenschaften versprach. In den raueren Küstenregionen wurden auch reine Eichenjollen gebaut, die dann bis 500 kg schwer wurden und es gibt sogar einige noch schwerere H-Jollen aus Stahlblech.

Ab 1965 ersetzten inzwischen erlaubte leichtere Sperrholzdecks die Vollholzdecks und bis Ende der 1960er Jahre warf man dann gezielt alles raus, was schwer war. Der Konstrukteur Kurt Grunewald zeichnete eine leichte, nur knapp 200 kg schwere Jolle , die 1,90 breit , ein Holzruder und -schwert hatte und mit einem zusehends moderneren Alurigg ausgestattet war. Außerdem verleimte man die Planken, sodass die Jollen nicht immer im Wasser zu liegen brauchten. Die Vollholzjollen müssen sich ja nach der Winterpause erst dicht ziehen. Die 1970 gebaute H 608 war die (vor)letzte Vollholz-H-Jolle und diente der Bootswerft Kother als Vorlage für die dann folgende Kunststoffgeneration.

Ähnlich verlief die Entwicklung der Klasse im Bereich des BDS/Bund Deutscher Segler in der ehemaligen DDR. Als „Nationale Klasse“ wurde der Fortbestand der H-Jolle immer gefördert. Die Klasse konnte dann aber letztendlich nur überleben, als man zu Beginn der 1970er Jahre einen vom Berliner Manfred Ernst gezeichneten, ebenfalls 1,90 m breiten Riss, zum Einheitsriss machte, der dann auch sofort in GFK gebaut wurde.

Da die Bautätigkeit im Westen plötzlich boomte, wäre die H-Jolle auch hier fast „Einheitsklasse“ geworden. So große Regattafelder fand man natürlich toll. Andererseits merkten die Verfechter der Konstruktionsklassen aber auch, dass sie sich damit eine Jolle festschreiben würden, die in wenigen Jahren vielleicht wieder veraltet wäre. Genau genommen und im Vergleich zum Ernst-Riss war es dieser Grunewald-Riss schon, denn er hatte sich in den Jahren ab 1965 nicht wesentlich verändert. Man tat gut daran, nicht Einheitsklasse zu werden, denn mit dem Baustoff des formverleimten Sperrholzes konnte man im Westen plötzlich leicht und somit breiter bauen.

Die H-Jolle heute

Und so entstand Mitte/ Ende der 1970er Jahre die H-Jolle, wie wir sie heute noch kennen: Eine 190 kg und 2,15 m breite moderne Gleitjolle mit Doppelboden, modernem Alurigg, Trapez (erst seit 1979 im Westen zugelassen, während im Osten schon Ende der 50er Jahre auf noch gaffelgetakelten H-Jollen das Trapez zugelassen war), Spi (der wurde auch vor dem Krieg schon gesegelt), Rollfock und allem, was heute im modernen Jollensport „in“ ist und in die Klassenvorschriften passt. Veränderungen gab es nur noch im Riss, denn der zuerst gesegelte Rose-Riss (der noch in Vollholz gebaute Prototyp war über 2,20 m breit und wurde in dieser Breite verboten) war schnell überholt, es folgte von der Werft Dannhus der Dannhus-Riss und die Werft Kother baute den letzten Grunewald-Riss. Heute wird von der Regattaspitze aber fast ausschließlich der von 1990 – 1998 bei Bergner & Fuchs in Hutzfeld bei Bosau am Großen Plöner See (seit 1998 Bootsbau Thomas Bergner/Trappenkamp) gebaute Kalb-Riss III gesegelt. Seit 1995 gibt es diesen so erfolgreichen Riss auch in GFK/Sandwich mit Holzdeck. Die Jollen werden zunehmend auch mit leichteren Karbon-Riggs ausgerüstet.

Inzwischen hat aber auch die Firma Dannhus einen neuen bei van de Staad gezeichneten Riss herausgebracht, die Bootswerft Seedorf am Arendsee bietet den neuen, breiten Kalb-III-Riss an und mehrere Jollen wurden nach eigenen Ideen im Eigenbau fertiggestellt.

Die H-Jolle als Konstruktionsklasse macht also ihrem Namen wieder alle Ehre.

Was ist aus der Wanderjolle geworden? Wandertauglich sind eigentlich alle H-Jollen, auch wenn natürlich eine zum Regattasegeln ausgerüstete Jolle mehr Strippen im Schiff hat. Aber H-Jollen aller Art haben sich schon auf den jährlich von der Klassenvereinigung organisierten Törns rund Rügen, in der dänischen Südsee und in den schwedischen Schären bewährt. Und mit modernen H-Jollen ist selbst eine Wanderfahrt, wie sie 1994 von Kiel bis fast nach Kopenhagen durchgeführt wurde, keine große Hürde.

In der sehr rührigen Klassenvereinigung sind z. Z. ca. 300 Mitglieder eingetragen. Neben Ranglistenregatten auf den meisten großen Binnenrevieren gibt es seit 25 Jahren auch gut besuchte Treffen für die Vollholz-Oldies. Überhaupt bilden die Besitzer der klassischen H-Jollen in Vollholzbauweise eine überaus große Gruppe in der H-Jollen-Klassenvereinigung.

Außerdem nehmen H-Jollen-Segler immer sehr erfolgreich an Yardstickregatten teil und die Klasse stellt sich seit Jahren auf den führenden Bootsmessen einer breiten Öffentlichkeit vor.

Da die Bautätigkeit im Westen plötzlich boomte, wäre die H-Jolle auch hier fast „Einheitsklasse“ geworden. So große Regattafelder fand man natürlich toll. Andererseits merkten die Verfechter der Konstruktionsklassen aber auch, dass sie sich damit eine Jolle festschreiben würden, die in wenigen Jahren vielleicht wieder veraltet wäre. Genau genommen und im Vergleich zum Ernst-Riss war es dieser Grunewald-Riss schon, denn er hatte sich in den Jahren ab 1965 nicht wesentlich verändert. Man tat gut daran, nicht Einheitsklasse zu werden, denn mit dem Baustoff des formverleimten Sperrholzes konnte man im Westen plötzlich leicht und somit breiter bauen.

Zum Schluss noch ein Wort zu der vor allem im Hamburger Raum bekannten Elb-H-Jolle:

Die immer noch gaffelgetakelte Jolle ist eine revierbedingte Entwicklung Ende der 20er Jahre. Sie ist kürzer und hochbordiger als die (Berliner) H-Jolle, passt aber insgesamt mit ihrem den rauheren Bedingungen der Elbe angepassten Baubesteck in die Vermessungsbestimmungen der H-Jollen- Klasse und führt, da sie eine nicht eigenständige (Einheits-) Klasse ist, auch das H im Segel.